Energiekosten werden zur Armutsfalle – Diakonie RWL warnt vor sozialer Schieflage

Die Zahlen sind alarmierend: Innerhalb eines Jahres haben sich die Anfragen in den diakonischen Schuldnerberatungsstellen in NRW zu Miet- und Energiekosten vervierfacht. Das zeigt die regionale Auswertung zweier bundesweiter Online-Umfragen der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV).

„Wir brauchen jetzt eine zielgenaue und wirkungsvolle Entlastung einkommensarmer Haushalte“, sagt Christian Heine-Göttelmann, Vorstand des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL). Ulrich Hamacher, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Bonn und Region ergänzt: „Die Armut verschärft sich, auch in Bonn. Die Politik muss jetzt schnell handeln: Übernahme aller Energiekosten für Sozialleistungsempfänger:innen, konkrete Hilfen für Geringverdienende, Studierende und Rentner:innen.
Jetzt ist Handeln gefragt!“

Die massiv gestiegene Nachfrage in den Beratungsstellen sei erst einer der ersten sichtbaren Hinweise auf eine sich seit Jahren verstärkende soziale Schieflage. „Mit der Erhöhung der Energietarife um mehr als 40 Prozent und der Gasumlage von 2,4 Cent werden viele Haushalte – auch aus der sogenannten Mittelschicht – an das Existenzminimum und darunter gelangen“, so der Diakonie RWL-Vorstand. Er fordert die Bundesregierung auf, einkommensarme Haushalte jetzt zielgenau und wirkungsvoll zu entlasten.

Höhere Regelsätze

Die 300 Euro Energiepauschale, die jedem Erwerbstätigen zusteht, reiche zum einen nicht aus, zum anderen würden damit auch Haushalte unterstützt, die eigentlich keiner Hilfe bedürften, betont Christian Heine-Göttelmann. „Solidarität heißt jetzt, für Geringverdiener, Sozialhilfeempfänger und Rentner*innen einzustehen. Dafür müssen die oberen Prozent der Gesellschaft Abstriche machen.“

Die Diakonie RWL setze sich dafür ein, dass Moratorien für Strom- und Gassperren verhängt werden. Außerdem müssten konkrete Ansprechpartner für Notfälle von Energieversorgern und Wohnungsgesellschaften benannt werden, fordert Petra Köpping, Diakonie RWL-Referentin für Schuldner- und Insolvenzberatung. So könnten die Beratungsstellen schnell verbindliche Vereinbarungen für ihre Klienten erzielen. „Vor allem müssen die Regelsätze erhöht werden. Nur so haben Sozial- und Arbeitslosengeldempfänger die Chance, die gestiegenen Energiepreise zu bezahlen, ohne sich zu verschulden“, ergänzt Köpping. Auch ein Zuschuss für energieeffiziente Geräte sei längst überfällig.

Armut wird sich ausbreiten

Die explodierenden Lebenshaltungskosten in Kombination mit der Energiekrise werden auch Teile der Mittelschicht in Bedrängnis bringen, glaubt Petra Köpping. „Hier müssen wir schon jetzt gegensteuern und mehr Unterstützungsangebote schaffen. Wir sehen, dass der Bedarf an Schuldnerberatungen bereits im vergangenen Jahr massiv gestiegen ist.“ Mehr als 70 Prozent der diakonischen Schuldnerberatungen in NRW gaben im Rahmen der Online-Umfrage an, dass die Anfragen um rund 30 Prozent gestiegen sind.

„Die Schuldner- und die Allgemeinen Sozialberatungen haben sich in der Corona-Pandemie bewährt und sind zu festen Anlaufstellen für viele Menschen in Not geworden“, sagt Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann. Die Beratungsstellen müssten jetzt mit Blick auf das Frühjahr 2023, wenn die Abrechnungen der Energieanbieter die Menschen erreichen, ausgebaut und gestärkt werden.