Freie Wohlfahrtspflege: Appelle an Land und Kommunen

Die finanzielle Lage der Träger der freien Wohlfahrtspflege droht sich dramatisch zu verschlechtern, denn durch die inflationsbedingten Steigerungen der Sachkosten und die neuen Tarifabschlüsse ergibt sich eine Belastung der freien Träger sozialer Arbeit, die durch die bisherigen Haushaltsplanungen weder auf Landes- noch kommunaler Ebene ausgeglichen werden. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW hatte sich deshalb in einem offenen Brief an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst gewandt, und die evangelische Kreissynode Bonn appellierte an Stadt- und Kreisverwaltung, „dass die Kostenträger auf allen Ebenen die Kostensteigerungen vollständig finanzieren“. Kitas, Offener Ganztag, Angebote für Menschen mit Behinderung, Beratungsstellen oder Pflegeheime: Das Problem zieht sich durch den gesamten Sozialbereich. In einem offenen Brief weist auch die Vorsitzende der AG §78 Hilfen zur Erziehung in Bonn, Andrea Elsmann, auf die schwierige wirtschaftliche Situation der freien Träger der Jugendhilfe und sozialen Arbeit hin.

Bonns Superintendent Dietmar Pistorius schreibt: „Die Synode konstatiert im ersten Punkt, was wir alle wissen, und was uns die die Wohlfahrtsverbände – auch unser Diakonisches Werk vor Ort – berichten: Die Soziale Lage erfordert mehr Beratung, Betreuung und Hilfe für immer mehr Menschen – auch aus Gruppen unserer Bevölkerung, die bislang solche Bedarfe nicht hatten. Gerade angesichts dieser Situation multipler Krisen erkennt die Synode dankbar an, was auf allen Ebenen unseres Landes – in Bund, Land und in Bonn – getan wird, um Menschen in dieser Situation zu unterstützen. Tatsächlich fürchte ich auch in meinem Verantwortungsbereich darum, dass die genannten Faktoren in der Kombination mit sinkenden Einnahmen aus den Kirchensteuern uns zu Einschnitten zwingen werden. Wir fordern daher, dass die Kostenträger auf allen Ebenen die Kostensteigerungen vollständig finanzieren.“

Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW hatten ihren Hilferuf an Ministerpräsident Hendrik Wüst abgesetzt, „weil wir in einer dramatischen Situation sind. Wenn die Landesregierung sich nicht schnellstens zu ihrer Finanzierungsverantwortlichkeit bekennt, droht der Kollaps des Betreuungssystems in NRW“, so Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. 

Andrea Elsmann, Mitglied der Geschäftsleitung des Diakonischen Werkes Bonn und Region, unterstreicht, dass der Bedarf an Beratung, Betreuung und Hilfe in unserer Stadt groß sei und erwartungsgemäß aufgrund der aktuellen Krisen wachsen werde. „So sind beispielsweise Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (Jugendzentren/Offene Türen) Orte, an denen Kinder und Jugendliche niederschwellige pädagogische Angebote nutzen können. Diese Angebote erfordern ohnehin schon einen nicht unerheblichen Anteil an Eigenleistungen der betreffenden freien Träger (im Gegensatz zu der Vollfinanzierung vergleichbarer Angebote des öffentlichen Trägers). Sollte sich dieser weiter vergrößern, bzw. Finanzierungsanteile durch die Kommune wegfallen, sind Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit nicht mehr in diesem Umfang leistbar.“ Elsmann betont: „Sollten die gesamten Kosten der Tariferhöhung nicht über die Leistungsträger abgesichert werden, ist eine dramatische Veränderung der Trägerlandschaft voraussichtlich nicht zu vermeiden.“ Sie appelliert an alle Beteiligten: „Lassen Sie uns solidarisch und gemeinsam schauen, wie wir diesem Problem entgegenwirken können. Gerne sind wir zu lösungsorientierten Gesprächen bereit.“